Millennials und die große Wende
Die nächste Generation hält Einzug in die Unternehmen —und bringt gleich eine völlig neue Sicht der Dinge mit!
Andreas Rogger wurde 1973 in Brixen geboren. Nach seinem Studium der Wirtschaft in Venedig begann er 1999, im Personalmanagement der britischen GKN-Unternehmensgruppe zu arbeiten. Dort hat er verschiedene regionale und globale Personal und Organisationsaufgaben in Europa, Asien und Amerika innegehabt war zuletzt als Group Director Leadership, Talent, Recruitment und Organisation für 60.000 Mitarbeiter zuständig.
Bis 2020 werden rund 50 % der Arbeitnehmer/innen zur Generation Y gehören, 2025 werden es bereits 75% sein, noch nie war der Anteil einer einzelnen Generation am Arbeitsmarkt größer. Generationswechseln gilt seit jeher, sowohl in der Wirtschaft, als auch in Politik und Soziologie, große Aufmerksamkeit. Bei Personalabteilungen und Führungskräften scheint die Generation Y allerdings ganz besonders im Fokus zu stehen. Woran liegt das? Die Generation Y — der Begriff bezeichnet die zwischen 1980 und 1995 Geborenen — ist besonders gut ausgebildet und außerdem die erste Generation, die mit der Digitalisierung aufgewachsen ist. Dies geht einher mit einem neuen Bild und einer anderen Wertigkeit der Arbeit. „Wer aber über die Hintergründe dieser neuen Sicht und über die Generation Y Bescheid weiß, findet gute Wege, die Bedürfnisse der Mitarbeiter und die eigene Unternehmensstrategie unter einen Hut zu bringen“, so Andreas Rogger. Wir haben ihn gefragt, welchen Stellenwert die Arbeit bei den Millennials, also besagter Generation Y, einnimmt.
Was unterscheidet die Generation Y von den vorangehenden Generationen?
Andreas Rogger: Bei der Generation Y spielen Selbstverwirklichung und Entfaltungschancen eine wesentlich größere Rolle, als das bisher der Fall war. Sie streben nicht allein nach Karriere und messen ihren Erfolg nicht ausschließlich an der Höhe des Gehalts.
Ist der Sinn für den Millennial klar erkennbar, dann geht er voll und ganz
in seiner Arbeit auf und ist bereit und imstande, Außergewöhnliches zu leisten.
Anders als bei früheren Generationen besteht der Sinn jedoch eben nicht darin, „möglichst viel Geld zu verdienen und dadurch finanzielle Sicherheit zu schaffen“. Die Generation Y hat erkannt, dass es um viel mehr geht: um Selbstbestimmung zum Beispiel, um Selbstverwirklichung und Individualität. Die Zeiten des hörigen Abarbeitens sind vorüber. Dies stößt oft auf Unverständnis und teilweise auf offene Ablehnung: Die Generation Y wird als verwöhnt, manchmal sogar als faul abgestempelt. Dabei birgt dieses Andersdenken so viele neue Potentiale!
Woher rührt denn dieses Hinterfragen des bisherigen Arbeitsmodells?
Fakt ist: Arbeit verändert sich dauernd. Ob dies durch Innovation, technologischen und sozialen Wandel oder durch den Wettbewerb passiert, ist im Grunde zweitrangig. Viel wichtiger ist es, zu verstehen, wie das Unternehmen mit diesen Veränderungen am besten umgehen kann.
Also keine Hands-on-Typen mehr, sondern Alles-Hinterfragende? Was zeichnet die Millennials sonst noch aus?
Eine ganze Menge! Sie sind flexibel und scheuen nicht berufliche Herausforderungen. Anders als es Vertreter der älteren Generationen gern darstellen, sind sie weder besonders verwöhnt, noch großartig egozentrisch, sondern eigentlich sehr idealistisch: Ihr Handeln soll, beruflich genauso wie privat, sinnstiftend sein. Die Auswirkungen des eigenen Tuns werden kritisch reflektiert und durchaus auch in einen globalen Rahmen gestellt. Neben dem eigenen Mikrokosmos spielt der größere Zusammenhang eine wichtige Rolle, auch deshalb, weil die Generation Y mehr als alle anderen vor ihr, unabhängig von Ländergrenzen, untereinander vernetzt ist.
Die Millennials sind offen für Neues, sie wollen dazulernen und sich weiterentwickeln, aber nicht um jeden Preis, sondern nach gründlicher Auseinandersetzung mit der Frage: „Was habe ich davon?“
Sie akzeptieren den Status Quo nicht länger als gegeben, sondern fordern ihn heraus. Eine feste Arbeitsstelle bis ans Ende des Berufslebens? Absolut undenkbar für die Generation Y.
Stattdessen ist sie experimentierfreudig, abenteuerlustig und sprunghaft. Heute hier, morgen dort und übermorgen vielleicht schon wieder an einem ganz anderen Ort, so lautet die Devise, die sich sowohl im Privaten als auch im Beruflichen widerspiegelt.
Das klingt nach einer großen Aufgabe, vor allem für die Führungskräfte.
Tatsächlich hat sich die Rolle der Führungskraft maßgeblich verändert: keine Chefs mehr, deren Autorität blind gefolgt wird, sondern Coaches, die dabei helfen, die eigenen Potentiale bestmöglich zu entfalten. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, zeichnen sich Millennials allerdings durch sehr hohes Engagement aus. Der Haupteinflussfaktor auf Leistung und Motivation ist der Arbeitgeber und dessen Transparenz.
Die Generation Y hat keine Lust, sich blind vor irgendeinen Karren spannen zu lassen, sie will die Ziele des Arbeitgebers und die Hintergründe für getroffene Entscheidungen kennen.
Sie will die Prozesse, die zur Erreichung der gesetzten Ziele führen sollen, verstehen und im besten Fall mitgestalten.
Unternehmen, die von den Vorzügen der Generation Y profitieren wollen, müssen teilweise stark umdenken und völlig neue Anreize bieten. Neben all den Überlegungen wie flexible Arbeitsmodelle und alternative Karrierewege steht das
„Benefit Großartige Führungskräfte“ für mich an erster Stelle. 93 % der Millennials geben an, dass der direkte Vorgesetzte der Grund für ihren letzten Arbeitsplatzwechsel war.
Millennials verlangen eine neue Art der Führung und darin liegt auch die größte Herausforderung für Unternehmen.
Ganz wichtig ist außerdem auch der Aspekt, dass viele Menschen dieser Generation zu den Digital Natives gehören, also mit dem Internet groß geworden sind und es ganz selbstverständlich nutzen. Diese Selbstverständlichkeit äußert sich in vielerlei Hinsicht positiv, beispielsweise im kreativen und innovativen Umgang mit sozialen Medien und der allgemeinen Online-Kommunikation.
Welche ersten Optimierungs- oder Anpassungsschritte können Arbeitgeber vornehmen?
Auch wenn es noch so simpel klingen mag: Am wichtigsten ist es sicherzustellen, dass Mitarbeiter wissen, was bei der Arbeit von ihnen erwartet wird, und dass sie das in ein sinnstiftendes Ganzes einordnen können. Regelmäßiges und zeitnahes Feedback ist wichtiger denn je. Den Millennials fällt es aufgrund ihrer vielseitigen Interessen schwer, Prioritäten zu setzen, und sie tendieren auch dazu, ihre Fähigkeiten zu überschätzen. Das jährliche Mitarbeitergespräch wandelt sich zum steten Austausch. Die Rolle des Arbeitgebers ändert sich auch insofern, als er die Stärken seiner Mitarbeiter richtig einschätzen, Potentiale erkennen und die Personen dort einsetzen muss, wo sie diese optimal entfalten können. Er muss den Mitarbeitern die richtigen Aufgabenfelder zuweisen. Die Generation Y arbeitet nicht mehr so sehr an ihren Schwächen, sondern konzentriert sich hauptsächlich darauf, ihr Können maximal zu entfalten. Die amerikanischen Historiker Neil Howe und William Strauss — die den Begriff „Millennials“ übrigens geprägt haben — kommen zu dem Schluss, dass diese zwischen 1980 und 1995 Geborenen die Welt tatsächlich verbessern könnten. Hier sind selbstbewusste Optimisten gerade dabei, Unternehmen zu erobern und sie stellen Bedingungen. Und mal ehrlich: Haben sie nicht ein Recht darauf?