„Die besten Leute sind gerade gut genug“
Günther Longo über Mitarbeitersuche, Multispezialisten und Millennials
Um sich auf dem Markt zu behaupten, muss man immer wieder Zeichen setzen und stets eine ‚Nasenlänge‘ voraus sein, so steht es auf der LONGO-Webseite — und so ließe sich wohl auch die Unternehmensstrategie in punkto Mitarbeitersuche und -führung in einem Satz umreißen.
Wie LONGO die Veränderungen im Printsektor auch auf dem Arbeitsmarkt handhabt — oder gar antizipiert — und wie sich der Eintritt der Millennials in die Arbeitswelt auf die Mitarbeitersuche und -entwicklung auswirkt, erläutert Firmeninhaber Günther Longo.
Wie sucht LONGO nach Mitarbeitern, welche Kanäle nutzen Sie?
Günther Longo: Seit einiger Zeit nutzen wir verstärkt die sozialen Medien für die Mitarbeitersuche. Insbesondere im Kreativ-Bereich erhalten wir gute Rückmeldungen und interessante Bewerbungen über LinkedIn, Xing und auch über Facebook. Auf Inserate in den Print-Medien reagieren die Menschen hingegen kaum noch — und das, was von dort bisher so reinkam, passte auch gar nicht. Wir haben auch einen Radio-Spot gemacht, sehr lässig und ein bisschen frecher gestaltet, das hat gut funktioniert. Und auf unserer eigenen Webseite veröffentlichen wir natürlich auch die aktuellen Job-Angebote, mit meist ganz gutem Erfolg. Headhunter oder Job-Agenturen haben wir bisher nur sehr eingeschränkt genutzt und wenn, dann eher für Führungspositionen, aber durchaus mit Erfolg.
Die Millennials, also die Generation der im Zeitraum zwischen den frühen 1980er- und mitte 1990er Jahren Geborenen, strömen zunehmend auf den Arbeitsmarkt. Unterscheidet sich die Suche nach Mitarbeitern aus dieser Generation?
Ja und nein. Bei kreativen Berufen funktionieren die sozialen Medien für Millennials sehr gut. Bei den traditionellen Berufen ist es anders: Hier reagieren Millennials zwar auch auf ansprechende, also „cool“ formulierte Stellenanzeigen, die meisten Bewerber für traditionelle Berufe in dieser Altersgruppe erreichen wir allerdings über Mundwerbung. Dafür braucht es natürlich eine gute Arbeitgebermarke. Wenn man die hat, dann machen die eigenen Mitarbeiter Mundwerbung im Freundes- und Bekanntenkreis. Das gilt nicht nur für konkret ausgeschriebene Stellen, sondern auch und insbesondere für die Suche nach guten Mitarbeitern ganz allgemein. Wenn sich fähige, interessante Menschen vorstellen, sind wir bereit, diese einzustellen, auch wenn wir gerade keinen unmittelbaren Bedarf haben. Weil wir einfach sehen: Die besten Leute sind gerade gut genug, besonders in unserer schnelllebigen Zeit.
Versuchen Sie, dadurch auch einem drohenden oder bereits bestehenden Fachkräftemangel im Sektor entgegenzuwirken?
Beim Thema Fachkräftemangel muss man erstmal schauen, warum es diesen überhaupt gibt. Bis 2006 war das Print-Gewerbe ein einträgliches Geschäft. Printprodukte wurden überall gebraucht, Mediendesigner, Drucker und Buchbinder hatten einen sicheren und gut bezahlten Beruf. Wenn man dann als Betrieb auch noch innovativ ausgerichtet war und seine Mitarbeiter gefordert hat, dann blieb das für die Menschen interessant. Durch die neuen Medien ist das traditionelle Basisgewerbe regelrecht zusammengebrochen — obwohl es etwa bei uns im Haus nach wie vor ein wichtiger Bestandteil ist. Da hat man vielleicht auch bei den Berufsschulen zu spät reagiert, die obengenannten Berufsbilder neu zu definieren. Ein Drucker ist heutzutage beispielsweise eben nicht mehr „nur“ ein Drucker: Er muss neben den Farbwelten, mit den Veredelungs- und neuen Anwendungstechniken umgehen können. Auch der direkte Kundenkontakt gehört mittlerweile zum Berufsbild.
Also ja, es gehört für uns absolut zur Personalstrategie, dass wir immer schauen, die besten Mitarbeiter zu finden, sogar dann, wenn wir eigentlich gerade keinen konkreten Bedarf haben.
Bleiben wir innerhalb der Personalstrategie von LONGO: Sind hier auch Quereinsteiger interessant?
Absolut, ja! Ein Beispiel: Wir sind vor einigen Jahren in den Bereich der Verpackungsherstellung eingestiegen. Es gibt hierzulande dazu kein entsprechendes Berufsbild. Hier kommen beispielsweise Geometer als Quereinsteiger in Frage, die vielleicht weg möchten von deren herkömmlichen Arbeitsfeldern. Solche Menschen bringen viel Erfahrung mit dem Zeichnen und Planen von Formen mit, Kompetenzen, die im Packaging-Bereich gefragt sind.
Wie laufen denn nun die Bewerbungen ab? Gibt es auch hier Veränderungen zu früher?
Verändert hat sich die Tatsache, dass man sich mehr als nur einmal zu einem Gespräch trifft. Wir pflegen bei LONGO auch das Vier-, Sechs- oder sogar Acht-Augen-Prinzip, somit sind gleich mehrere Personen in den Bewerbungsprozess involviert. Denn es ist gerade bei den Millennials häufig nicht einfach, die Menschen richtig einzuschätzen, viele sind sehr introvertiert. Gleichzeitig lernen sie im Rahmen des Studiums, sich professionell und möglichst vorteilhaft zu präsentieren — und manchmal führt das dazu, dass sie ihre Fähigkeiten überschätzen. Umgekehrt kann es passieren, dass in einem introvertierten Bewerber, der vielleicht nicht so gut darin ist, sich „zu verkaufen“, ungeahnte Talente schlummern. Das gilt es eben bei den diversen Gesprächsrunden und vielleicht auch bei ein bis zwei Probetagen herauszufinden. Wir bieten außerdem viele Praktika an, für Ober- und Berufsschulen und auch für Studierende. Was wir nicht machen, ist den Bewerbern Aufgaben zu stellen, die sie dann vor Ort mit entsprechendem Druck erledigen müssen. Das sind künstliche Situationen, die vielleicht bei hochspezialisierten Berufen sinnvoll sind, aber bei uns in der Regel nicht eingesetzt werden.
Wir bemühen uns sehr, offen miteinander zu sprechen und bluffen nicht als Betrieb, das bringt nichts. Das haben wir z.B. erst kürzlich mit einem sehr ehrlichen Recruiting-Video, ohne Schönrederei, deutlich gemacht: Wir haben einen tollen Betrieb und spannende Berufsgruppen, bei uns finden kreative Köpfe ebenso ihren Platz wie E-Commerce-Spezialisten oder eben auch Drucker und Buchbinder. Es findet Forschung&Entwicklung statt, wie auch die Entwicklung von Online-Plattformen. Aber es gibt weder einen Campus, noch ein Fitnessstudio oder Ruhe- und Meditationsräume. Wir sind kein Wellnesshotel. Da ist meiner Meinung nach auch viel Verblendung betrieben worden und das wollen wir nicht.
Die Ausrichtung als Kommunikationsunternehmen mit Schwerpunkt Print erfordert vielseitige Mitarbeiter, Multispezialisten, wie sie bei LONGO genannt werden. Wie ist dieser Begriff entstanden und warum hat sich LONGO für diesen Weg entschieden?
Durch die Veränderungen im Print-Gewerbe wurden aus Business-Units Teilbereiche. Aus einer Druckerei mit klar definierten Berufsbildern wurde durch die technologische Entwicklung ein Kommunikationsbetrieb — der natürlich nach wie vor gut ausgebildete Mitarbeiter benötigt. Gleichzeitig haben wir festgestellt, dass sich der Markt selbst verändert hat: Im Unterschied zu früher haben wir heute fast ausschließlich Auftragsspitzen — wo wir dann z. B. für einen Monat in einem Bereich 90 statt der üblichen 30 Mitarbeiter bräuchten. Das hängt von den Entscheidungsprozessen unserer Kunden ab, von wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Hierauf muss man sehr schnell und flexibel reagieren können. Eine bestimmte Größe jedoch muss ein Betrieb haben, damit nicht nur kleine, sondern auch international ausgerichtete Großkunden erfolgreich bedient werden können — für Auftragsspitzen neue Mitarbeiter einzustellen, die man dann mit halber Auslastung das gesamte Jahr über bezahlen muss, ist wirtschaftlich aber nicht möglich. Auf Freelancer oder Leiharbeiter zurückzugreifen, schien uns auch nicht der richtige Weg. Die Lösung sah für uns also so aus, dass wir unsere Mitarbeiter zu Multispezialisten weiterentwickelten: Ein Drucker beispielsweise übernimmt auch Magazineurs- oder Logistikaufgaben, der Buchbinder wird zum Verpackungstechniker und der Mediendesigner erfüllt Arbeiten in der Druckplattenherstellung oder im Kreativbereich. So können wir Mitarbeiter bei Auftragsspitzen in den einzelnen Abteilungen mit einer gewissen Flexibilität einsetzen.
Wie sind die Mitarbeiter mit diesen Veränderungen umgegangen, wie haben sie darauf reagiert?
Für die meisten unserer Mitarbeiter war und ist dieser Prozess auf der einen Seite eine Herausforderung, gleichzeitig aber auch eine Chance. Bei vielen sind völlig neue Fähigkeiten zum Vorschein gekommen — ganz nebenbei hat sich dadurch das Berufsbild quasi von selbst modernisiert und enorm an Attraktivität gewonnen. Mit dieser Neuausrichtung haben wir vor etwa vier Jahren begonnen, sie dauert noch immer an. Mitarbeiter erkennen mehr und mehr, wie interessant die Arbeit als Multispezialist ist. Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist, dass sich das Teamdenken stark verbessert hat. Rückblickend denke ich, dass die digitale Transformation für uns eine Entwicklungsmöglichkeit war und ist und, dass wir dank Wandlung hin zum Multispezialisten, den Sprung in den neuen Print/Kommunikations-Markt geschafft haben und nicht — wie viele andere Betriebe — aufgeben mussten.
Welche Rolle spielen die Millennials bei dieser Veränderung und wie gehen sie das Thema Arbeit generell an?
Millennials sind damit groß geworden, dass sich Technologien und Berufe laufend verändern. Das schreckt sie also nicht ab — sie bewerten die Möglichkeit, sich in mehreren Bereichen zu spezialisieren, eher positiv. Generell haben sie hohe Erwartungen an das Betriebsklima, sie verlangen eine klare Ausrichtung und ein Ziel, auch Werte. Sie möchten keine Nummer sein und erwarten eine starke Kommunikation sowohl nach innen, als auch nach außen. Wertschätzung ist ihnen sehr, sehr wichtig.
Ich habe den Eindruck, dass sie zwar eine sehr gute Ausbildung mitbringen, viel Wissen — nur ist dieses teilweise recht oberflächlich. Wenn es allerdings gelingt, eine Beziehung aufzubauen, dann fühlen sie sich wohl und engagieren sich im Betrieb. Dafür muss man viel kommunizieren, auch Themen aufgreifen, die vielleicht weniger mit der Arbeit an sich, als vielmehr mit der Lebenseinstellung ganz allgemein zu tun haben. Manchmal vermisse ich bei der Generation Y den Bezug zur Realität und das Verantwortungsbewusstsein. Zu oft verlässt man sich darauf, dass „das schon jemand anderes erledigen wird“. Es fehlt — insbesondere beim Einstieg in die Arbeitswelt — vielleicht ein bisschen das Bewusstsein dafür, dass man seine Arbeit nicht nur irgendwie abwickeln, sondern erfolgreich und kundenorientiert zum Abschluss bringen muss.
Ich bin aber ein erklärter Gegner davon, eine gesamte Generation kritisch zu beurteilen. Ich sehe viele positive Seiten — und es ist klar die Aufgabe des Betriebs, der Führungskräfte, diese zum Vorschein zu bringen. Für manche ist der Eintritt in die Arbeitswelt ein unsanftes Wachwerden, im ersten oder zweiten Job scheitern sie nicht selten. Dann allerdings kommen meiner Erfahrung nach die breite Ausbildung, die Offenheit, eine gewisse Leichtigkeit und der vorhandene Optimismus zum Tragen — und dies sind zweifellos große Bereicherungen für den Arbeitsmarkt.